1. Allgemeines

 

 

Das Gesichtsfeld beider Augen umfasst einen Bereich von etwa 180°. Das beidäugige Sehen ermöglicht eine dreidimensionale Abbildung der Umwelt. Die Kamera hingegen stellt den Raum nur zweidimensional dar, sie bildet auch nur einen relativ kleinen rechteckigen Teil des Gesichtsfeldes ab.

Andererseits bietet die Kamera beim Film eine Reihe von Vorteilen: Man kann ästhetische, harmonische Bildräume gestalten, Zeit überspringen, den Betrachter durch die Wahl des Bildraums (z.B. Totale, halbnah, Großaufnahme) die Dinge aufdrängen, die er sehen soll und ihn damit ins Geschehen hinein ziehen.

Durch die Wahl der Kameraperspektive (über, auf oder unterhalb der Augenhöhe) kann man unterschiedliche Nähe oder Distanz zu den Beteiligten optisch ausdrücken.

Bewegte Kameras (von der „entfesselten Kamera“ bis zur Action Kamera) lassen ganz neue Bildeindrücke zu.

Mit natürlichem bzw. künstlichem Licht, schwarzweißen oder farbigen Veränderungen hat man weitere optische Gestaltungsmöglichkeiten.

Hierdurch hat man beim Film viele Gestaltungsmöglichkeiten.

(Hans-Jürgen Schekahn)

2. Gestaltungsregeln

 

 

a. Der goldene Schnitt

  • Geometrische Grundlagen des goldenen Schnittes. Die Strecke a beträgt etwa 2/3, die Strecke b 1/3 der gesamten Strecke a+b.

  • Hilfslinien im Sucher entsprechend dem goldenen Schnitt

  • Optimale Positionierung des Kopfes nach den Regeln des goldenen Schnitte

Die Aufteilung eines Bildes wird in der Regel nach dem goldenen Schnitt vorgenommen. Das Verhältnis bestimmter Größen gilt als ideale Proportion. Die Kenntnis des goldenen Schnittes geht bis in die griechische Antike zurück (Euklid, 300 v. Chr.).

Die geometrische Konstruktion ist ziemlich kompliziert, sie ist für die praktischen Belange des Filmers unerheblich.

Für eine Strecke, die entsprechend dem goldenen Schnitt in die Längen a und b geteilt wird , gilt folgende Regel: a verhält sich zu b wie a+b zu a.

Ein Strecke von 10 cm Länge wird danach in einen Abschnitt mit einer Länge von 6,18 cm und einen kürzeren von 3,82 cm aufgeteilt.

Für den Alltag des Filmens genügt die Faustregel  2/3 zu 1/3.

Jeder Camcorder bietet die Möglichkeit, Hilfslinien in den Sucher einzublenden. Dies ist unbedingt zu empfehlen. Sowohl die beiden waagerechten als auch die beiden senkrechten Linien teilen den Sucher in drei gleich große Bereiche, entsprechen also dem goldenen Schnitt.

 

 

Beim Filmen einer Person sollten die Augen etwa auf der oberen waagerechten Linie liegen, die Nase sollte nicht in der Bildmitte, sondern etwa auf einer der senkrechten Linien liegen. Das wäre dann die ideale Bildaufteilung. (Diese Position nehmen auch stets die Nachrichtensprecher(innen) der "Tagesschau" und "Heute" ein.)

Natürlich bewegt sich die Person mitunter vor der Kamera, d.h. diese ideale Position wird nicht immer beibehalten. Auf keinen Fall sollte die Kamera den Bewegungen folgen, es sei denn, der Kopf bewegt sich komplett aus dem Bild heraus. Hier wäre es dann allerdings sinnvoller, das Interview nochmal zu drehen.

b. Die Lage des Horizontes

  • Hochliegender Horizont (Obere Linie goldener Schnitt)

  • Tiefliegender Horizont (Untere Linie goldener Schnitt

Die Lage des Horizontes sollte sich auch an die Regeln des goldenen Schnittes halten.  

Ein hochliegender Horizont steht für Erdverbundenheit und Standhaftigkeit.

Ein tiefliegender Horizont hingegen symbolisiert Losgelöstheit, Ewigkeit, Unendlichkeit und Transzendenz.

Es sollte unbedingt vermieden werden, innerhalb eines Films bzw. eines Themas den Horizont einmal hoch und einmal tief zu legen. Solche "springenden Horizonte" schaffen Unruhe und sind vor allem wegen ihrer Metapher (s.o.) Verwirrung stiftend.

c. Die Einstellungen

  • Totale ---------------------------- Halbtotale

  • Halbnah ------------------------ Nah

  • Groß ---------------------------- Detail

d. Filmen von Interviews

Die Totale bietet einen Überblick über den Ort des Geschehens. Personen sind in dieser Einstellung nur ganz entfernt zu erkennen.

Die Halbtotale rückt näher an das Objekt heran. Sind Personen im Bild, so füllen sie das Bild fast aus.

In der Halbnah-Einstellung wird die Person zu 2/3 abgebildet, der untere Bildrand liegt in der Mitte der Oberschenkel.

Die Nah-Einstellung zeigt nur 1/3 von einer Person, der untere Bildrand geht in etwa durch die Mitte der Oberarme.

Bei der Großaufnahme füllt der Kopf das Bild aus. Dabei ist vom Kopf oben etwas abgeschnitten.

Die Detailaufnahme zeigt nur Teile des Gesichts, z.B. die Lippen oder ein Auge.

Man beachte, dass in den Einstellungen Halbtotal bis Groß die Augen stets auf der Linie des Goldenen Schnittes liegen.

  • Die Plazierung der Person rechts im Bild wirkt unschön, sie blickt quasi an eine "Wand". Im linken Bild hingegen blickt sie in den freien Raum.

  • Aufnahme eines Interviews mit zwei Kameras

Die zu interviewende Person sollte nicht in der ersten Einstellung sofort nah oder groß ins Bild gesetzt werden. Vielmehr läßt man die Person vorher einmal durch das Bild laufen, z.B. durch eine Tür in das Gebäude gehen, in welchem das Interview stattfindet. Das dient dazu, dass sie dem Zuschauer quasi vorgestellt wird, damit er sich auf die Person einstellen kann. In der Regel wird dabei die Person durch einen Sprecher anmoderiert. Obwohl die Nachrichtensendungen im Fernsehen mit jeder Sekunde geizen müssen, wird man diese Art der Bildgestaltung bei allen Interviews sehen; die Sekunden der Vorstellung des Interviewpartners müssen sein. Ein Politiker z.B. läuft immer erst durch die Halle des Reichstages oder einen anderen Ort, bevor er in einer Naheinstellung interviewt wird.

Die interviewte Person muß stets außerhalb der Bildmitte positioniert sein. Sie sollte nie in die Kamera blicken. Der größere Abstand zum Bildrand muß in Sprechrichtung liegen. Die Person muß ins Bild sprechen nicht aus dem Bild raus.

In Idealfall wird ein Interview mit 2 Kameras gefilmt. Eine nimmt die interviewte Person in Groß- die andere in Naheinstellung auf. Das hat den Vorteil, dass man beliebige Teile des Interviews herausschneiden kann, ohne einen Bildsprung zu verursachen. An der Schnittstelle wechselt man einfach die Einstellung. Filmt man hingegen mit einer Kamera, muß man an der Schnittstelle immer den unschönen Weißblitz verwenden, es sei denn, man hat Material für einen Zwischenschnitt  zur Verfügung (s. auch bei Schnitt)

e. Dialog zwischen zwei Darstellern oder Interviewpartnern

Das Filmen eines Dialogs zwischen zwei Personen (A und B) erfolgt im Idealfall mit drei Kameras. Die hier gezeigten Einstellungsregeln gelten gleichermaßen für ein Interview, in dem beide Interviewpartner im Bild sind.

Natürlich lässt sich eine Aufnahme mit drei Kameras nur selten verwirklichen. Bei nur einer Kamera ist es unvermeidlich, dass die Szene dreimal gedreht wird. Das geschieht sogar in großen Kinoproduktionen: die Darsteller müssen jeden Dialog dreimal spielen.  

  • Master Shot

  • Einwärts von Kamera 1

  • Einwärts von Kamera 2

  • Auswärts von Kamera 1

  • Auswärts von Kamera 2

In der Einwärtseinstellung nimmt Kamera 1 die Person B von vorne auf, Person A befindet sich von hinten aufgenommen links im Bild. Kamera 2 wiederum nimmt Person A auf, die sich dann links im Bild befinden muss. 

In der Auswärtseinstellung nimmt Kamera 1 nur die Person B auf, diese befindet sich dabei rechts im Bild. Kamera 2 wiederum nimmt Person A auf, die sich dann links im Bild befinden muss. Beim 4:3 Format wird die Person ziemlich dicht am Bildrand positioniert, anders beim 16:9 Format. Hier muss der Abstand zum Bildrand etwa eine Kopfbreite betragen. 

Der Dialog wirkt dadurch lebendig, dass man stets zwischen den 5 Einstellungen wechselt. Dabei muss keineswegs immer die sprechende Person im Bild sein; wenn z.B. Person A spricht, kann Person B als Zuhörende gezeigt werden und umgekehrt. Wichtig ist bei allen Einstellungen, dass die Handlungsachse nicht überschritten wird.

f. Schwenks und Zooms

 

 

  • Statt auf das Wappen über dem Portal zu zoomen (roter Pfeil),

  • wirkt es interessanter, nach einer Einstellung aus ungewöhnlicher Perspektive

  • das Wappen in Nahaufnahme zu zeigen.

Schwenks und Zooms sind zweifellos ein beliebtes Stilmittel im Film.

Warum ? Die Kamera bildet nur einen Ausschnitt der Umgebung ab. Man möchte aber gerne die gesamte Aussicht, z.B. von einem Berggipfel,  einfangen. Also bietet sich ein Schwenk an. Entfernte Objekte möchte man gerne heran holen, ohne hingehen zu müssen, dazu gibt es  das Zoom.

Beides, Schwenk und Zoom aber sind Kunstprodukte. Sie entsprechen nicht dem natürlichen Sehen. Wer den Blick über eine Landschaft schweifen läßt, dessen Augen bzw.  Kopf bewegen sich in die betreffende Richtung. Die Geschwindigkeit der Blickbewegung bestimmt der Betrachter so, dass sie für ihn angenehm ist und kein Schwindel auftritt. Anders beim Schwenk im Kino: Hier ruhen die Augen des Betrachters und das Bild zieht an ihm vorbei. Die Schwenkgeschwindigkeit bestimmt der Kameramann. Ist sie zu schnell, löst das Unbehagen beim Betrachter aus.

Auch die Zoombewegung findet in der menschlichen Wahrnehmung kein Korrelat. Das Auge kann nicht zoomen, insofern ist auch Zoomen unnatürlich.

 

Schwenks

Wichtig bei einem Schwenk ist, dass er gleichmäßig erfolgt, mit einem Stativ gelingt dies natürlich am besten.

Langsame Panoramaschwenks haben eine retardierende Funktion, sie verlangsamen das Tempo, der Zuschauer hat die Möglichkeit, wieder einmal "Luft zu holen".

Nach einer aktionsreichen  Sequenz mit vielen raschen Schnitten wirkt es erholsam, wenn ein ruhiger Schwenk, oder auch ein Panorama ohne Schwenk folgt. Man kann das im Fernsehen stets bei Krimis beobachten. Nach einer Folge spannender Aktionen kommt ein Panorama von der Stadt, in der der Krimi spielt, ganz einfach, um wieder etwas Ruhe ins Geschehen zu bringen.

Es ist noch nicht allzu lange her, da galt als eiserne Regel, dass sowohl vor Beginn als auch am Ende eines Schwenks die Kamera zum Stillstand kommen muß. Wie so vieles in unserem Leben ist auch die Filmgestaltung modischen Strömungen unterworfen. Man sieht heute in Kinofilmen und auch im Fernshen nur noch selten, dass das Bild nach einem Schwenk für ein bis drei Sekunden steht. In der Regel wird in den Schwenk geschnitten, bevor dieser zum Stillstand gekommen ist.  Andererseits ist es natürlich nicht falsch, wenn es am Ende des Schwenks zum Stillstand kommt.

 

Schnellere Schwenks sollten sparsam verwendet werden. Wichtig dabei ist, dass der Schwenk ein Ziel hat ! Ein Schwenk macht den Zuschauer neugierig, was will der Filmer mir zeigen ? Befinde ich mich z. B. in einer Straße einer hübschen Altstadt, und schwenke nach oben, so könnte das Ziel des Schwenks eine Frau auf einem Balkon sein, die ihre Blumen gießt. Ein ziel - und planloses Schwenken, was man leider in vielen Amateurfilmen sieht, bringt Unruhe in den Film und sollte vermieden werden. Schwenks die im Nichts enden, sind schlecht. Suchen Sie sich möglichst immer ein Ziel.

 

 Zooms

Die Zoomfunktion wird leider viel zu oft verwendet. Zweifellos ist es verführerisch, sich mit einem einfachen Knopfdruck ein entferntes Objekt heranzuholen.  Aber auch hier gilt, sparsam mit dem Zoom umgehen, auf das Hinzoom am besten ganz verzichten. Eine Alternative zeigen die nebenstehenden Bilder.

Ein Rückzoom schließt eine Sequenz oder einen Film ab. Häufig ist es die letzte Einstellung in einem Film. Es sollte folglich nicht mitten in einer Sequenz oder gar als erste Einstellung in einem Film verwendet werden.

(Dr. Walter Baust)

 

 

 

 

 

 

3. Arbeit mit dem Stativ

Um ruhige Aufnahmen zu erzielen, ist ein Stativ zwingend erforderlich, besonders bei

  • Betätigung des Start / Stopp Knopfes

  • Beginn und Ende eines Schwenks

  • Nahaufnahmen (lange Brennweite)

Folgende Kriterien sind bei der Auswahl eines Stativs wichtig

  • Funktionalität (ruckelfreier Schwenk, Schwingungsdämpfung, Auszughöhe)

  • Transportfähigkeit (Gewicht, Größe)

  • Preis

Auf dem Markt gibt es eine Fülle unterschiedlicher Modelle. Worauf sollte man als Filmer achten?

Man benötigt kein Foto- sondern ein Filmstativ. Damit scheiden Stative mit 3-Wege-Neigern, Kugel- oder Panoramaköpfen aus.

Zu empfehlen ist ein Stativ mit

  • 2-Wege Kopf (möglichst in Fluidausführung)

  • Halbschale

  • Libelle

  • Stativplatte

  • Schwenkarm (evtl. mit Bedienung)

Die Halbschale ermöglicht die Justierung mit nur einem Hebel. Ein Segen, wenn man viel auf unebenem Gelände filmt und bei jeder Standortänderung nicht mehr alle Füße des Stativs einzeln neu anpassen muss.

Bei den Preisen gibt es im Bezug auf Qualität große Unterschiede. Bereits für unter 150 € gibt es für uns Hobbyfilmer recht ordentliche Modelle.

Im Club können wir Ihnen von unseren Erfahrungen berichten.

(Hans-Jürgen Schekahn)